Berlin-Tempelhof wird in der öffentlichen Wahrnehmung oft auf das imposante Flughafengebäude und das weitläufige Tempelhofer Feld reduziert. Doch abseits dieser bekannten Wahrzeichen verbirgt der Bezirk eine Fülle architektonischer Schätze, die selbst vielen Berlinern unbekannt sind. Von mittelalterlichen Kirchbauten über Industriearchitektur der Gründerzeit bis hin zu modernistischen Wohnsiedlungen – Tempelhof beherbergt ein reiches bauliches Erbe, das die verschiedenen Epochen seiner Geschichte widerspiegelt. Dieser Artikel führt dich zu zehn versteckten architektonischen Perlen, die einen Besuch lohnen und neue Perspektiven auf diesen vielseitigen Bezirk eröffnen.
1. Die Dorfkirche Tempelhof: Mittelalterliches Zeugnis der Ordensritter
Geschichte und Architektur
Die Dorfkirche Tempelhof ist nicht nur das älteste erhaltene Gebäude des Bezirks, sondern auch ein faszinierendes Zeugnis der mittelalterlichen Geschichte Berlins. Der massive Feldsteinturm der Kirche wurde bereits im 13. Jahrhundert errichtet, vermutlich von den Tempelrittern, die dem Bezirk seinen Namen gaben. Dieses architektonische Kleinod ist ein bemerkenswertes Beispiel für die frühe märkische Kirchenbaukunst und demonstriert die Bauweise mit Findlingen, die für diese Region typisch war.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Kirche mehrfach umgebaut und erweitert. Das Langhaus stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde im spätgotischen Stil errichtet. Besonders sehenswert ist der barocke Altar aus dem 18. Jahrhundert, der in elegantem Kontrast zur rustikalen Schlichtheit der Feldsteinmauern steht. Die Kanzel im Renaissance-Stil und die mittelalterlichen Wandmalereien, die bei Restaurierungsarbeiten freigelegt wurden, ergänzen das kunsthistorisch bedeutsame Ensemble.
Verborgene Details und Besonderheiten
Was viele Besucher übersehen, sind die faszinierenden Details, die sich bei genauerer Betrachtung offenbaren. In den Feldsteinmauern finden sich eingelassene Ritzzeichnungen und Symbole, deren Bedeutung bis heute nicht vollständig entschlüsselt ist. Einige werden den Tempelrittern zugeschrieben und könnten geheime Botschaften oder Wegmarkierungen dargestellt haben.
Ein weiteres verborgenes Kleinod ist die mittelalterliche Sakristeitür mit ihren kunstvoll geschmiedeten Beschlägen. Diese Tür hat die Jahrhunderte nahezu unverändert überdauert und ist ein seltenes Beispiel für die Schmiedekunst des Mittelalters. Auch der kleine Kirchhof, der die Kirche umgibt, lohnt einen Besuch. Hier finden sich historische Grabsteine, die Geschichten von längst vergangenen Generationen Tempelhofer Bürger erzählen.
Die Dorfkirche ist nicht nur ein architektonisches Denkmal, sondern auch ein lebendiger Ort der Gemeinschaft. Regelmäßige Gottesdienste, Konzerte und kulturelle Veranstaltungen beleben das historische Gemäuer und machen es zu einem wichtigen sozialen Treffpunkt im Kiez. Die Kirche ist in der Regel dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, und Führungen werden nach Voranmeldung angeboten.
2. Das Ullsteinhaus: Expressionistisches Meisterwerk der Industriearchitektur
Geschichte und architektonische Bedeutung
Das Ullsteinhaus im Süden Tempelhofs ist eines der beeindruckendsten Zeugnisse der Berliner Industriearchitektur und gleichzeitig ein Meisterwerk des expressionistischen Baustils. Der mächtige Bau wurde zwischen 1925 und 1927 nach Plänen des Architekten Eugen Schmohl für den Ullstein-Verlag errichtet, einen der bedeutendsten Medienkonzerne der Weimarer Republik.
Mit seiner markanten Fassade aus rotem Klinker und dem charakteristischen Turm, der ursprünglich als Wasserturm diente, setzt das Gebäude einen kraftvollen architektonischen Akzent. Besonders bemerkenswert sind die expressionistischen Details, die sich in der gestaffelten Vertikalgliederung der Fassade, den geometrischen Ornamenten und den expressiven Treppenhaustürmen ausdrücken. Diese gestalterischen Elemente verbinden funktionale Industriearchitektur mit künstlerischem Anspruch und machen das Ullsteinhaus zu einem Schlüsselwerk der Zwischenkriegsarchitektur.
Das Gebäude war seiner Zeit weit voraus und verfügte über innovative technische Einrichtungen. Die Innenräume wurden großzügig und lichtdurchflutet gestaltet, um optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das Ullsteinhaus beherbergte nicht nur Druckmaschinen und Büros, sondern auch soziale Einrichtungen für die Mitarbeiter, darunter eine Kantine, Erholungsräume und sogar ein Schwimmbad – für die damalige Zeit revolutionäre Arbeitsplatzbedingungen.
Versteckte Highlights und heutige Nutzung
Was viele Besucher nicht wissen: Im Inneren des Ullsteinhauses verbirgt sich eine architektonische Perle – die original erhaltene Eingangshalle mit ihrer aufwändigen Art-Déco-Gestaltung. Marmorsäulen, Messinggeländer und kunstvolle Leuchten schaffen eine elegante Atmosphäre, die an die goldenen Zwanziger Jahre erinnert. Besonders beeindruckend sind die original erhaltenen Aufzüge mit ihren kunstvoll gestalteten Messingtüren und Bedienelementen.
Ein weiteres Highlight ist die ehemalige Druckhalle im Erdgeschoss. Der riesige, stützenfreie Raum mit seiner beeindruckenden Deckenkonstruktion vermittelt einen Eindruck von der industriellen Macht des einstigen Medienimperiums. Hier standen einst die größten und modernsten Druckmaschinen ihrer Zeit, die täglich Tausende von Zeitungen und Zeitschriften produzierten.
Heute ist das Ullsteinhaus ein lebendiges Kreativzentrum, in dem zahlreiche Unternehmen aus den Bereichen Medien, Design und Kunst ihren Sitz haben. Die imposanten Industriehallen wurden in moderne Büro- und Atelierräume umgewandelt, wobei der historische Charakter des Gebäudes bewahrt wurde. Diese gelungene Umnutzung zeigt, wie industrielles Erbe bewahrt und gleichzeitig für zeitgemäße Nutzungen erschlossen werden kann.
Das Ullsteinhaus ist teilweise öffentlich zugänglich. Die Eingangshalle kann zu den regulären Bürozeiten besichtigt werden. Führungen durch weitere Teile des Gebäudes werden am Tag des offenen Denkmals und im Rahmen spezieller Veranstaltungen angeboten. Ein Blick in dieses beeindruckende Gebäude lohnt sich für jeden Architekturinteressierten und gibt Einblicke in die Industriegeschichte Berlins.
3. Die Gartenstadt Neu-Tempelhof: Reformarchitektur der 1920er Jahre
Geschichte und städtebauliche Konzeption
Die Gartenstadt Neu-Tempelhof ist ein herausragendes Beispiel für den sozialen Wohnungsbau der Weimarer Republik und ein Zeugnis der fortschrittlichen Architektur- und Stadtplanungsideen dieser Zeit. Die Siedlung wurde zwischen 1920 und 1928 nach Plänen des Architekten Fritz Bräuning errichtet und zählt zu den bedeutendsten Wohnanlagen des „Neuen Bauens“ in Berlin.
Inspiriert von der Gartenstadtbewegung, die eine Verbindung von urbaner Infrastruktur und ländlicher Lebensqualität anstrebte, schuf Bräuning eine durchdachte Wohnanlage mit großzügigen Innenhöfen, durchgrünten Freiräumen und einer klaren städtebaulichen Gliederung. Die Blockrandbebauung mit ihren charakteristischen roten Klinkerfassaden bildet einen harmonischen Rahmen für die grünen Höfe, die als gemeinschaftliche Freiräume konzipiert wurden.
Die Gartenstadt Neu-Tempelhof verkörpert die sozialen Reformideen der Weimarer Republik. Sie wurde für Arbeiterfamilien und Angestellte mit niedrigem Einkommen konzipiert und sollte gesunde und würdige Wohnverhältnisse schaffen – ein revolutionärer Ansatz in einer Zeit, die noch von beengten Mietskasernen geprägt war. Die Wohnungen verfügten über moderne Ausstattung wie Zentralheizung, Badezimmer und Balkone – Annehmlichkeiten, die damals keineswegs selbstverständlich waren.
Architektonische Details und verborgene Winkel
Was die Gartenstadt Neu-Tempelhof besonders macht, sind die durchdachten architektonischen Details, die sich dem aufmerksamen Betrachter offenbaren. Die Fassaden sind durch rhythmisch angeordnete Erker und Balkone gegliedert, die den Gebäuden eine lebendige Plastizität verleihen. Die Eingangsbereiche sind durch architektonische Akzente wie Rundbögen, ornamentale Ziegelverbände und kunstvoll gestaltete Hausnummern hervorgehoben. Diese Details zeigen, dass auch sozialer Wohnungsbau ästhetisch anspruchsvoll gestaltet sein kann.
Ein verstecktes Highlight der Siedlung sind die begrünten Innenhöfe mit ihren alten Baumbeständen, Spielplätzen und Gemeinschaftsflächen. Diese ruhigen Oasen sind von der Straße aus kaum einsehbar und bilden einen überraschenden Kontrast zur urbanen Umgebung. Besonders reizvolle Perspektiven ergeben sich in den Durchgängen zwischen den Höfen, wo sich immer wieder neue Blickachsen und Raumeindrücke eröffnen.
Die Gartenstadt Neu-Tempelhof steht heute unter Denkmalschutz und ist weitgehend im Originalzustand erhalten. Sie ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie qualitätsvolle Architektur über Generationen hinweg Bestand haben und eine hohe Wohnqualität bieten kann. Die Siedlung ist frei zugänglich und kann jederzeit besichtigt werden. Besonders lohnend ist ein Spaziergang durch die verschiedenen Höfe, der die städtebauliche Konzeption erlebbar macht.
4. Der Viktoriapark: Vergessene Wasserfälle und neogotisches Denkmal
Geschichte und Landschaftsgestaltung
Der Viktoriapark am nordwestlichen Rand von Tempelhof ist eine der ungewöhnlichsten Parkanlagen Berlins und beherbergt mehrere versteckte architektonische Juwelen. Der Park wurde im 19. Jahrhundert auf dem Kreuzberg angelegt, der mit 66 Metern höchsten natürlichen Erhebung im inneren Stadtgebiet Berlins. Seine besondere Attraktion ist der künstliche Wasserfall, der vom Gipfel des Hügels in die Tiefe stürzt und von Gustav Meyer, einem Schüler des berühmten Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné, entworfen wurde.
Die Parkanlage ist ein Meisterwerk der Landschaftsgestaltung des 19. Jahrhunderts. Meyer schuf eine romantische Landschaft mit gewundenen Wegen, dramatischen Felsformationen und versteckten Aussichtspunkten. Der künstliche Wasserfall, der eine Höhe von etwa 24 Metern überwindet, wurde nach dem Vorbild schlesischer Wasserfälle gestaltet und sollte an die verlorenen deutschen Ostgebiete erinnern. Die Wasserkaskaden und die umgebende Felslandschaft sind so naturgetreu gestaltet, dass man vergessen könnte, sich mitten in einer Großstadt zu befinden.
Das Nationaldenkmal und andere architektonische Elemente
Auf dem Gipfel des Kreuzbergs steht das Nationaldenkmal für die Befreiungskriege, ein neogotisches Monument, das 1821 nach Entwürfen des Architekten Karl Friedrich Schinkel errichtet wurde. Das gusseiserne Denkmal in Form eines gotischen Tabernakels mit seinem markanten Spitzturm ist ein herausragendes Beispiel für die Neugotik des frühen 19. Jahrhunderts und zeugt von der patriotischen Stimmung nach den Napoleonischen Kriegen. Die zwölf Figuren an den Außenseiten des Denkmals stellen Genien dar, die verschiedene Schlachten der Befreiungskriege symbolisieren.
Ein verborgenes architektonisches Kleinod im Viktoriapark ist die historische Pumpstation, die am Fuße des Wasserfalls liegt und für den Betrieb der Wasserspiele sorgt. Das kleine Gebäude im Stil eines Schweizer Chalets fügt sich harmonisch in die romantische Landschaft ein und ist ein Beispiel für die durchdachte Gestaltung selbst funktionaler Bauten im 19. Jahrhundert. Im Inneren beherbergt es noch immer die historische Pumpentechnik, die seit der Eröffnung des Parks in Betrieb ist.
Der Viktoriapark ist täglich geöffnet und kostenlos zugänglich. Der Wasserfall ist von Mai bis Oktober in Betrieb und besonders an heißen Sommertagen ein beliebtes Ziel. Vom Denkmal auf dem Gipfel bietet sich ein beeindruckender Panoramablick über Berlin, der den Besuch zusätzlich lohnt. Am Fuße des Berges befindet sich ein kleiner Weinberg, auf dem seit den 1970er Jahren wieder Wein angebaut wird – eine Reminiszenz an die Weinbautradition, die es in Berlin bis ins 19. Jahrhundert gab.
5. Die Fliegersiedlung: Genossenschaftliches Wohnen im Stil der Heimatschutzarchitektur
Geschichte und städtebauliche Konzeption
Die Fliegersiedlung im Südwesten Tempelhofs ist ein faszinierendes Beispiel für den genossenschaftlichen Wohnungsbau der 1930er Jahre und ein gut erhaltenes Ensemble der Heimatschutzarchitektur. Die Siedlung, die offiziell „Siedlung Bärensiedlung“ heißt, wird im Volksmund aufgrund ihrer ursprünglichen Bewohner – Piloten und Angestellte des Flughafens Tempelhof – „Fliegersiedlung“ genannt.
Die Siedlung wurde zwischen 1932 und 1936 nach Plänen des Architekten Paul Mebes errichtet, der für seine qualitätvolle und solide Wohnarchitektur bekannt war. Mebes schuf eine kleinteilige, durchgrünte Siedlungsstruktur mit Einfamilien- und Reihenhäusern, die sich an traditionellen Bauformen orientierte. Die Gestaltung folgt den Prinzipien der Heimatschutzarchitektur, die regionale Bautraditionen aufgriff und eine Alternative zur avantgardistischen Moderne darstellte. Charakteristisch sind die steil geneigten Walmdächer, die symmetrischen Fassaden und die handwerklich gestalteten Details wie Fensterläden, Eingangstüren und Zäune.
Architektonische Details und verborgene Winkel
Was die Fliegersiedlung besonders macht, ist ihre durchdachte Gesamtkomposition aus Architektur und Landschaftsgestaltung. Die Häuser sind um kleine Plätze und grüne Höfe gruppiert, die gemeinschaftliche Freiräume bilden und zur nachbarschaftlichen Begegnung einladen. Die Straßen und Wege sind nicht geradlinig, sondern folgen einem organischen Verlauf, der immer wieder neue Perspektiven eröffnet und eine dörfliche Atmosphäre schafft.
Ein verstecktes Highlight der Siedlung ist der zentrale Platz mit seinem alten Baumbestand und dem gemeinschaftlichen Brunnen. Dieser Platz bildet das soziale Zentrum der Siedlung und wird von besonders repräsentativen Häusern umgeben. Die sorgfältig gestalteten Vorgärten mit ihren historischen Einfassungen und traditionellen Bepflanzungen tragen wesentlich zum Charme der Siedlung bei und zeigen, wie Architektur und Natur harmonisch miteinander verbunden werden können.
Die Fliegersiedlung steht heute unter Denkmalschutz und ist weitgehend im Originalzustand erhalten. Sie wird nach wie vor genossenschaftlich verwaltet und bietet ihren Bewohnern eine hohe Wohn- und Lebensqualität. Die Siedlung ist öffentlich zugänglich und kann jederzeit besichtigt werden. Ein Spaziergang durch die ruhigen Straßen vermittelt einen Eindruck vom genossenschaftlichen Wohnideal, das hier seit fast 90 Jahren gelebt wird.
6. Die Friedhofskapelle Tempelhof: Expressionistisches Meisterwerk
Geschichte und architektonische Bedeutung
Die Friedhofskapelle Tempelhof auf dem Parkfriedhof Tempelhof ist ein beeindruckendes Beispiel expressionistischer Sakralarchitektur und ein weitgehend unbekanntes Meisterwerk. Die Kapelle wurde zwischen 1925 und 1927 nach Plänen des Architekten Fritz Bräuning errichtet, der auch für die Gartenstadt Neu-Tempelhof verantwortlich zeichnete. Mit ihrem markanten pyramidenförmigen Dach und den expressiven Formen setzt sie einen kraftvollen architektonischen Akzent auf dem weitläufigen Friedhofsgelände.
Die Architektur der Kapelle verbindet traditionelle Sakralbauformen mit einer ausdrucksstarken modernistischen Formensprache. Der Zentralbau über polygonalem Grundriss wird von einem steilen Pyramidendach gekrönt, das an mittelalterliche Turmhelme erinnert, aber in seiner geometrischen Klarheit deutlich modernistisch interpretiert ist. Die Fassade aus rotem Klinker wird durch vertikale Fensterbahnen gegliedert, die dem Bau eine aufstrebende Dynamik verleihen. Diese Verbindung von Tradition und Moderne ist charakteristisch für die Architektur der späten Weimarer Republik.
Innenraum und künstlerische Ausstattung
Das Innere der Kapelle ist von besonderer künstlerischer Qualität. Der zentrale Feierraum wird von einer imposanten Holzdecke überspannt, die in ihrer geometrischen Strukturierung die äußere Form des Pyramidendachs aufnimmt und einen würdevollen, aber nicht düsteren Rahmen für Trauerfeiern schafft. Besonders bemerkenswert sind die kunstvollen Bleiglasfenster, die von dem Glaskünstler Gottfried Heinersdorff geschaffen wurden. In abstrahierter Form stellen sie christliche Symbole und Auferstehungsmotive dar und tauchen den Raum in ein mystisches, farbiges Licht.
Ein weiteres Highlight ist die originale Orgel, die als Gesamtkunstwerk mit dem Raum konzipiert wurde. Das Instrument mit seinem expressiv gestalteten Prospekt fügt sich harmonisch in die Architektur ein und unterstreicht den sakralen Charakter des Raumes. Die akustischen Eigenschaften der Kapelle sind bemerkenswert und machen sie zu einem beliebten Ort für Trauermusik und gelegentlich auch für Konzerte.
Die Friedhofskapelle ist in der Regel nur zu Trauerfeiern geöffnet, kann aber nach vorheriger Anmeldung bei der Friedhofsverwaltung besichtigt werden. Auch am Tag des offenen Denkmals ist sie für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein Besuch lohnt sich für jeden, der sich für expressionistische Architektur und sakrale Kunst interessiert.
7. Das Rathaus Tempelhof: Monumentale Verwaltungsarchitektur der Zwischenkriegszeit
Geschichte und städtebauliche Einordnung
Das Rathaus Tempelhof ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Verwaltungsarchitektur der Zwischenkriegszeit und ein wichtiges Zeugnis kommunaler Selbstverwaltung. Es wurde zwischen 1935 und 1938 nach Plänen von Fritz Bräuning errichtet, der mit diesem Bau sein drittes großes Projekt in Tempelhof realisierte. Der monumentale Bau mit seiner markanten roten Klinkerfassade und dem charakteristischen achteckigen Turm prägt bis heute das Stadtbild am Tempelhofer Damm.
Das Rathaus entstand in einer Zeit des Übergangs: Begonnen in der Spätphase der Weimarer Republik, wurde es während der nationalsozialistischen Herrschaft fertiggestellt. Diese politische Zäsur spiegelt sich auch in der Architektur wider, die Elemente des Neuen Bauens mit einer monumentalisierenden Tendenz verbindet, wie sie für die NS-Zeit charakteristisch wurde. Dennoch ist das Gebäude kein typisches Beispiel nationalsozialistischer Repräsentationsarchitektur, sondern bewahrt viele Qualitäten der progressiven Architektur der 1920er Jahre.
Architektonische Details und Innenausstattung
Die Fassade des Rathauses wird durch den kontrastierenden Einsatz von rotem Klinker und hellen Natursteinelementen gegliedert. Vertikale Fensterachsen betonen die Höhe des Gebäudes, während horizontal verlaufende Gesimse für eine ausgewogene Balance sorgen. Der achteckige Turm, der das Gebäude krönt, ist nicht nur ein markantes Wahrzeichen, sondern symbolisiert als „Bürgerturm“ das demokratische Selbstverständnis der kommunalen Verwaltung – ein bemerkenswerter Aspekt angesichts der Bauzeit während der NS-Diktatur.
Im Inneren des Rathauses haben sich zahlreiche originale Elemente erhalten, die einen Einblick in die hochwertige Innenarchitektur der Zeit geben. Die imposante Eingangshalle mit ihren Marmorsäulen und der großzügigen Treppenanlage schafft einen würdevollen Empfangsbereich für die Bürger. Besonders bemerkenswert ist der ehemalige Sitzungssaal mit seiner aufwändigen Holzvertäfelung, den original erhaltenen Möbeln und der kunstvollen Deckengestaltung. Auch die Türen, Beleuchtungskörper und andere Details sind weitgehend im Originalzustand erhalten und zeugen von der handwerklichen Qualität der Ausstattung.
Das Rathaus Tempelhof dient heute als Verwaltungssitz für verschiedene Abteilungen des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg. Teile des Gebäudes, darunter die Eingangshalle und das Bürgeramt, sind während der regulären Öffnungszeiten frei zugänglich. Führungen durch die historischen Räume werden am Tag des offenen Denkmals und nach Voranmeldung für Gruppen angeboten. Ein Besuch lohnt sich nicht nur für architekturgeschichtlich Interessierte, sondern gibt auch Einblicke in die Verwaltungsgeschichte Berlins.
8. Der Tempelhofer Wasserturm: Industrielles Wahrzeichen im neogotischen Stil
Geschichte und technische Funktion
Der Tempelhofer Wasserturm ist ein beeindruckendes Relikt der industriellen Vergangenheit des Bezirks und ein weithin sichtbares Wahrzeichen. Der 1893-94 erbaute Turm im neogotischen Stil versorgte einst die wachsende Bevölkerung Tempelhofs mit Trinkwasser. Mit seiner markanten Silhouette aus rotem Klinker und den charakteristischen Spitzbögen ist er ein herausragendes Beispiel der Industriearchitektur des späten 19. Jahrhunderts.
Der 50 Meter hohe Turm beherbergte ursprünglich einen Wasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von 500 Kubikmetern. Das technische Prinzip war einfach und effektiv: Mittels Pumpen wurde Wasser in den hochgelegenen Tank befördert, von wo aus es allein durch den Schwerkraftdruck in die Wasserleitungen des Bezirks floss. Diese Methode gewährleistete eine gleichmäßige Wasserversorgung und einen konstanten Druck im Leitungsnetz, unabhängig von Schwankungen im Wasserverbrauch.
Architektur und heutige Nutzung
Was den Tempelhofer Wasserturm besonders auszeichnet, ist seine aufwändige architektonische Gestaltung. Anders als viele rein funktionale Industriebauten wurde der Turm als repräsentatives Bauwerk konzipiert, das das Stadtbild bereichern sollte. Die neogotische Formensprache mit Spitzbögen, Blendarkaden und Fialen verleiht dem Bauwerk eine sakrale Anmutung, die seine Bedeutung für die städtische Infrastruktur unterstreicht. Die sorgfältige Klinkerornamentik zeugt von hoher handwerklicher Qualität und dem gestalterischen Anspruch der Gründerzeit.
Nach einer Phase des Leerstands und drohenden Verfalls wurde der Wasserturm in den 1990er Jahren restauriert und einer neuen Nutzung zugeführt. Heute beherbergt er Büroräume und Ateliers für kreative Unternehmen. Die oberen Etagen und die ehemalige Wasserkammer wurden zu einer Eventhalle mit spektakulärem Ausblick über Berlin umgebaut. Diese gelungene Umnutzung zeigt exemplarisch, wie industrielles Erbe bewahrt und für zeitgemäße Zwecke adaptiert werden kann.
Der Wasserturm ist nicht regelmäßig für die Öffentlichkeit zugänglich, kann aber im Rahmen von geführten Touren, die mehrmals im Jahr angeboten werden, besichtigt werden. Am Tag des offenen Denkmals öffnet der Turm regelmäßig seine Türen für Besucher. Der Ausblick von der Aussichtsplattform im oberen Bereich bietet eine faszinierende Perspektive auf Tempelhof und die angrenzenden Bezirke.
9. Die Siedlung Lindenhof: Reformarchitektur und Gartenstadt
Geschichte und städtebauliche Konzeption
Die Siedlung Lindenhof im südlichen Tempelhof ist ein Musterbeispiel für den genossenschaftlichen Wohnungsbau der frühen Weimarer Republik und eine der ersten Umsetzungen des Gartenstadtgedankens in Berlin. Die Siedlung wurde zwischen 1918 und 1921 nach Plänen des Architekten Martin Wagner errichtet, der später als Stadtbaurat von Berlin die Wohnungsbaupolitik der Stadt maßgeblich prägen sollte.
Die städtebauliche Konzeption des Lindenhofs folgt den Reformideen der Gartenstadt: Niedrige, aufgelockerte Bebauung, großzügige Grünflächen und gemeinschaftliche Einrichtungen sollten gesunde und soziale Wohnverhältnisse schaffen. Die Siedlung umfasst etwa 800 Wohnungen in zwei- bis dreigeschossigen Häuserzeilen, die um großzügige Innenhöfe und Gartenflächen gruppiert sind. Diese durchdachte Struktur schafft eine menschliche Maßstäblichkeit und fördert die nachbarschaftliche Gemeinschaft – Qualitäten, die bis heute geschätzt werden.
Architektonische Details und sozialer Anspruch
Die Architektur des Lindenhofs verbindet traditionelle Formensprache mit modernen Wohnkonzepten. Die Fassaden sind schlicht und funktional gestaltet, aber durch farbige Akzente, rhythmische Fensteranordnungen und subtile Ornamente belebt. Besonders charakteristisch sind die gelblichen Putzfassaden mit den roten Ziegeldächern, die der Siedlung ein harmonisches Gesamtbild verleihen. Die Eingangsbereiche sind durch kleine Vorbauten akzentuiert, die den Übergang zwischen öffentlichem und privatem Raum markieren.
Was den Lindenhof besonders auszeichnet, ist sein ganzheitlicher sozialer Ansatz. Neben den Wohngebäuden entstanden gemeinschaftliche Einrichtungen wie ein Genossenschaftshaus, eine Bibliothek, Werkstätten und Läden. Jede Wohnung verfügte über einen eigenen Garten oder Anteil an einer Gemeinschaftsfläche, auf der die Bewohner Obst und Gemüse anbauen konnten. Diese Selbstversorgung war in der Nachkriegszeit, die von Nahrungsmittelknappheit geprägt war, von großer praktischer Bedeutung, hatte aber auch einen pädagogischen Aspekt: Sie sollte die Bewohner zu einer gesunden, naturverbundenen Lebensweise anregen.
Die Siedlung Lindenhof steht heute unter Denkmalschutz und ist in ihrer städtebaulichen Struktur gut erhalten. Die Wohnungen wurden modernisiert, wobei der historische Charakter respektiert wurde. Die Siedlung ist frei zugänglich und kann jederzeit besichtigt werden. Besonders lohnend ist ein Spaziergang durch die grünen Höfe und Wege, der die besondere Atmosphäre dieser frühen Gartenstadt erleben lässt.
10. Bunkeranlagen unter dem Tempelhofer Feld: Verborgene Relikte des Zweiten Weltkriegs
Geschichte und Bedeutung
Unter dem Tempelhofer Feld und dem monumentalen Flughafengebäude verbirgt sich ein weitgehend unbekanntes unterirdisches Bauwerk: ein verzweigtes System von Bunkeranlagen, das während des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde. Diese unterirdischen Strukturen dienten verschiedenen Zwecken, von Luftschutzbunkern für die Zivilbevölkerung über Kommandozentralen bis hin zu unterirdischen Produktionsstätten für die Rüstungsindustrie.
Besonders bedeutsam ist die Unterflur-Fertigungsanlage im südlichen Teil des Flughafengeländes. Hier wurden in den letzten Kriegsjahren unter menschenunwürdigen Bedingungen Flugzeugteile und Waffen produziert. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge mussten unter der Erde, geschützt vor alliierten Luftangriffen, in den Fertigungshallen arbeiten. Diese dunkle Seite der Geschichte des Flughafens Tempelhof ist ein mahnendes Zeugnis der NS-Gewaltherrschaft.
Architektur und heutiger Zustand
Die Bunkeranlagen sind beeindruckende Beispiele für die militärische Ingenieurskunst ihrer Zeit. Massive Stahlbetonkonstruktionen mit Wänden und Decken von mehreren Metern Dicke sollten Schutz vor Bombenangriffen bieten. Die unterirdischen Räume waren durch ein System von Tunneln und Gängen miteinander verbunden, das teilweise direkt an das Flughafengebäude angeschlossen war. Spezielle Lüftungssysteme, eigene Stromversorgung und Wasserreservoirs ermöglichten einen längeren Aufenthalt unter der Erde.
Viele dieser unterirdischen Anlagen sind bis heute erhalten, aber größtenteils nicht öffentlich zugänglich. Einige Bereiche sind aufgrund von Einsturzgefahr oder Kontamination gesperrt, andere werden für technische Zwecke oder als Lagerräume genutzt. In den letzten Jahren wurden Teile der Bunkeranlagen im Rahmen spezieller Führungen für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um diesen wenig bekannten Aspekt der Geschichte des Flughafens zu vermitteln und an die Opfer der Zwangsarbeit zu erinnern.
Diese geführten Touren werden von fachkundigen Historikern begleitet und bieten tiefe Einblicke in die Kriegsgeschichte und das unterirdische Berlin. Aufgrund der besonderen Sicherheitsbedingungen und der begrenzten Zugänglichkeit ist eine Voranmeldung erforderlich. Die Touren sind regelmäßig ausgebucht und ziehen Geschichtsinteressierte aus aller Welt an.
Fazit: Tempelhof – Ein architektonisches Schatzkästchen
Tempelhof offenbart sich bei näherer Betrachtung als wahres Schatzkästchen der Berliner Architekturgeschichte. Die hier vorgestellten Bauwerke repräsentieren verschiedene Epochen und Stile, vom mittelalterlichen Kirchenbau über die Industriearchitektur der Gründerzeit bis hin zu den sozialen Wohnprojekten der Weimarer Republik. Sie erzählen die Geschichte des Bezirks und seiner Bewohner und geben Einblicke in die städtebaulichen Ideen und architektonischen Visionen ihrer Entstehungszeit.
Was diese versteckten architektonischen Perlen besonders wertvoll macht, ist ihre Authentizität. Viele der Gebäude sind in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten oder behutsam restauriert worden und vermitteln so einen unmittelbaren Eindruck ihrer Entstehungszeit. Sie zeigen exemplarisch, wie qualitätsvolle Architektur über Generationen hinweg Bestand haben und auch veränderten Nutzungsanforderungen gerecht werden kann.
Eine Entdeckungstour zu diesen verborgenen Bauwerken lohnt sich für jeden, der sich für Architektur und Stadtgeschichte interessiert. Jenseits der bekannten Touristenpfade eröffnen sich hier neue Perspektiven auf Berlin und seine vielschichtige bauliche Entwicklung. Die meisten der vorgestellten Gebäude sind öffentlich zugänglich oder können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Manche erschließen sich am besten bei einem Spaziergang durch den Bezirk, der verschiedene dieser architektonischen Highlights miteinander verbindet.
Tempelhof zeigt sich in seinen versteckten Bauwerken als lebendiges Architekturmuseum, das die verschiedenen Epochen der Berliner Geschichte widerspiegelt. Von der mittelalterlichen Dorfkirche bis zu den unterirdischen Bunkeranlagen des Zweiten Weltkriegs, von der expressionistischen Industriearchitektur des Ullsteinhauses bis zu den sozialen Wohnprojekten der Weimarer Republik – der Bezirk bietet eine faszinierende Vielfalt baulicher Zeugnisse, die es zu entdecken gilt. Diese versteckten architektonischen Schätze machen Tempelhof zu einem lohnenden Ziel abseits der ausgetretenen Touristenpfade und offenbaren die faszinierende Vielschichtigkeit dieses besonderen Berliner Bezirks.